Transkutane Sauerstoffmessung (tcpO2) bei kritischer Extremitätenischämie
Die Zahl der Patienten mit chronischer kritischer Extremitätenischämie (CLTI) steigt global an. Die CLTI stellt das Endstadium der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) dar [1]. CLTI ist mit hoher Mortalität, verzögerter Wundheilung, Amputation von Gliedmaßen, Schmerzen und verminderter Lebensqualität assoziiert [1].
Häufiger betroffen sind Diabetiker, Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hyperlipidämie, Raucher und männliche Personen. Die Inzidenz nimmt mit dem Alter zu [1].
CLTI führt zu einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung aufgrund von Operationen sowie Kosten für Reha, Arzneimittel, Pflege und Innere Medizin [2].
Diagnose der CLTI laut aktuellen Leitlinien
In der Leitlinie „Global Vascular Guidelines“ werden als Erstlinien-Screening für CLTI Knöcheldruck (AP) und Knöchel-Arm-Index (ABI) empfohlen [1]. Als alternative Diagnosemethode wird die transkutane Oxymetrie genannt [1].
Die amerikanische Gesellschaft für Gefäßchirurgie (Society of Vascular Surgery (SVS)) hat ein Risikostratifizierungssystem entwickelt. Dieses beruht auf drei Hauptfaktoren die das Amputationsrisiko und die klinische Versorgung beeinflussen: Wunde, Ischämie und Fußinfektion (WIfI) (Tabelle 1) [3]. Die WIfI-Klassifizierung empfiehlt tcpO2 oder Zehendruck (TP) anstelle von ABI bei Diabetikern und älteren Menschen [4].
Tabelle 1: WIfI-Einstufung
Diagnose von CLTI bei Diabetikern
Bei Patienten mit Gefäßverkalkung können AP und ABI aufgrund inkompressibler Gefäße falsch erhöht sein, sodass diese beiden Werte zu hoch eingeschätzt werden [3]. Dies tritt insbesondere bei Diabetikern auf, denn schätzungsweise 30-40 % diabetische Patienten leiden unter Gefäßverkalkungen [3]. In diesen Fällen ist eine transkutane Oxymetrie (tcpO2) AP und ABI unter Umständen vorzuziehen [4].
Die internationale Arbeitsgruppe um den diabetischen Fuß (Working Group of the Diabetic Foot (IWGDF)) veröffentlichte kürzlich eine systematische Übersicht auf Grundlage von 15 Studien, die zwischen 1980 und 2018 veröffentlicht wurden und 6800 Patienten mit Diabetes und Fußgeschwüren umfasst. Diese zeigte, dass ein niedriger ABI, AP, TP und niedrige transkutane Sauerstoffwerte (tcpO2) die Amputationsprognose unterstützen [5].
Für die Prognose der Wundheilung erwiesen sich ABI-Werte hingegen nicht als hilfreich, da ein niedriger ABI im Falle von Gefäßverkalkungen in den Normbereich hinein abweichen kann. Hier kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Verwendung von tcpO2, Zehendruck oder Hautperfusionsdruck (SPP) empfehlenswert ist [5]. Auf dieser Grundlage formulierte die IWGDF drei wichtige Empfehlungen für Patienten mit pAVK, CLTI und/oder diabetischem Fuß (Tabelle 2) [4].
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Tabelle 2: Empfehlungen der IWGDF
tcpO2 und klinischer Outcome bei CLTI
Eine Metaanalyse der Arbeitsgruppe um Arsenault, darunter 31 Studien mit über 1800 Patienten, zeigte, dass sich die Bestimmung transkutanen Sauerstoffs gut zur Prognose des Risikos von Wundheilungsstörungen und Amputationen eignet. Liegt der transkutane Sauerstoffwert unter 40 mmHg, erhöhte sich dadurch das Risiko für Wundheilungsstörungen um 24 %. Dieses Risiko steigt mit sinkenden tcpO2-Werten weiter an [6].
In zwei der Arbeitsgruppe um Fagher veröffentlichten Studien zeigte sich, dass tcpO2 ein unabhängiger prognostischer Marker für die 1-Jahres-Mortalität bei Diabetes-Patienten mit Fußgeschwüren ist. Außerdem hatten Patienten mit abnormalem ABI und einem tcpO2-Wert von < 30 mmHg eine mehr als doppelt so hohe 3-Jahres- Mortalität wie Patienten mit normalem ABI und tcpO2 [7, 8].
In einer Kohortenstudie von Salaun et al. mit Patienten, die wegen peripherer arterieller Verschlusskrankheit stationär behandelt wurden, wurden 556 Patienten mit CLTI untersucht [9]. Die Majoramputationsrate wurde anhand des anfänglichen Knöcheldrucks (AP), des systolischen Zehendrucks (STP) und des tcpO2 am Vorfuß verglichen. Mittels AP wurden 42 % der Patienten mit CLTI nicht erkannt. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein systolischer Zehendruck von < 30 mmHg bzw. ein tcpO2-Wert von < 10 mmHg die besten prognostischen Schwellenwerte für eine Majoramputation sind, und dass der AP nicht zur Diagnose einer CLI bei einem Patienten verwendet werden sollte [9]..
Andere Applikationsmöglichkeiten von tcpO2
Die Arbeitsgruppe um Pardo verglich tcpO2 und ABI bei Patienten, die sich einer peripheren transluminalen Angioplastie (PTA) zur Behandlung einer CLTI unterzogen, vor, während und nach dem Eingriff [10]. Der ABI konnte bei 15 % der Patienten nicht bestimmt werden; die transkutane Bestimmung von pO2 hingegen war bei allen Patienten möglich.
Außerdem konnte tcpO2 perioperativ, d. h. während des Eingriffs, bestimmt werden. Dabei veränderten sich die tcpO2-Werte während des Eingriffs. Diese Veränderungen entsprachen der Revaskularisation.
Nach dem Eingriff stieg der tcpO2-Wert über einen Zeitraum von 8 Wochen kontinuierlich an. Der ABI änderte sich jedoch nicht. Das deutet darauf hin, dass „die Bestimmung von tcpO2 nach PTA zur Bewertung der Revaskularisation nach dem radiologischen Eingriff nützlich ist“.
Eine kleine Studie von Cuen-Ojeda et al. zeigte, dass tcpO2 bei Patienten mit schwerem postthrombotischem Syndrom im Vergleich zu Patienten mit nicht schwerem postthrombotischem Syndrom und gesunden Kontrollen signifikant niedriger war. Dies deutet darauf hin, dass tcpO2 zur Bestimmung des Wundheilungspotenzials bei dieser Erkrankung hilfreich sein könnte [11].
Der Arbeitskreis um Xue zeigte, dass transkutaner Sauerstoff und Kohlendioxid (tcpCO2) bei Patienten mit hohem und niedrigem Dekubitusrisiko signifikant voneinander abwichen und dass die Veränderung von tcpO2- und tcpCO2-Wert beim Wechsel von der Seiten- in die Rückenlage bei Hochrisikopatienten höher war als bei Niedrigrisikopatienten [12]. Die Autoren gehen davon aus, dass tcpO2 and tcpCO2 als objektive wissenschaftliche Messgröße zur Beurteilung des Dekubitusrisikos herangezogen werden können
Zusammenfassung
Die Inzidenz von CLTI steigt weltweit an und ist mit erheblicher Morbidität, Mortalität und steigenden Kosten für die Gesundheitsversorgung verbunden. Das transkutane Monitoring von Sauerstoff (tcpO2) ermöglicht eine nichtinvasive Überwachung des Sauerstoffpartialdrucks der Haut und damit der mikrovaskulären Funktion. tcpCO2 korreliert mit der Wundheilungsprognose und der Langzeitmorbidität bei CLTI und diabetischen Wunden. Außerdem kann der Wert möglicherweise in verschiedenen Bereichen der Wundversorgung und Wundprävention eingesetzt werden.
Referenzen
1.Conte MS, Bradbury AW, Kolh P et al. Global Vascular Guidelines on the Management of Chronic Limb-Threatening Ischemia. European journal of vascular and
endovascular surgery: the official journal of the European Society for Vascular Surgery 2019; 58, 1S: S1-S109.e33.
2.Raghav A, Khan ZA, Labala RK, Ahmad J, Noor S, Mishra BK. Financial burden of diabetic foot ulcers to world: A progressive topic to discuss always.
Therapeutic advances in endocrinology and metabolism 2018; 9, 1: 29–31.
3.Mills JL, Conte MS, Armstrong DG et al. The Society for Vascular Surgery Lower Extremity Threatened Limb Classification System: Risk stratification based on
wound, ischemia, and foot infection (WIfI). Journal of vascular surgery 2014; 59, 1: 220-34.e1-2.
4.Hinchliffe RJ, Forsythe RO, Apelqvist J et al. Guidelines on diagnosis, prognosis, and management of peripheral artery disease in patients with foot ulcers and
diabetes (IWGDF 2019 update). Diabetes/metabolism research and reviews 2020; 36 Suppl 1: e3276.
5.Forsythe RO, Apelqvist J, Boyko EJ et al. Performance of prognostic markers in the prediction of wound healing or amputation among patients with foot ulcers
in diabetes: A systematic review. Diabetes/metabolism research and reviews 2020; 36 Suppl 1: e3278.
6.Arsenault KA, Al-Otaibi A, Devereaux PJ, Thorlund K, Tittley JG, Whitlock RP. The use of transcutaneous oximetry to predict healing complications of lower limb
amputations: A systematic review and meta-analysis. European journal of vascular and endovascular surgery: the official journal of the European Society for
Vascular Surgery 2012; 43, 3: 329–36.
7.Fagher K, Katzman P, Löndahl M. Transcutaneous oxygen pressure as a predictor for short-term survival in patients with type 2 diabetes and foot ulcers: A
comparison with ankle-brachial index and toe blood pressure. Acta diabetologica 2018; 55, 8: 781–88.
8.Fagher K, Löndahl M. The combined impact of ankle-brachial index and transcutaneous oxygen pressure on mortality in patients with type 2 diabetes and
foot ulcers. Acta diabetologica 2021; 58, 10: 1359–65.
9.Salaun P, Desormais I, Lapébie F-X et al. Comparison of Ankle Pressure, Systolic Toe Pressure, and Transcutaneous Oxygen Pressure to Predict Major
Amputation After 1 Year in the COPART Cohort. Angiology 2019; 70, 3: 229–36.
10.Pardo M, Alcaraz M, Bernal FL, Felices JM, Achel GD, Canteras M. Transcutaneous oxygen tension measurements following peripheral transluminal
angioplasty procedure has more specificity and sensitivity than ankle brachial index. The British journal of radiology 2015; 88, 1046: 20140571.
11.Cuen-Ojeda C, Anaya-Ayala JE, Laparra-Escareno H et al. Measurement of transcutaneous oxygen pressure in patients with post-thrombotic syndrome:
Findings and possible clinical applications. Vascular 2020; 28, 2: 172–76.
12.Xue M, Wang D, Zhang Z et al. Demonstrating the Potential of Using Transcutaneous Oxygen and Carbon Dioxide Tensions to Assess the Risk of Pressure
Injuries. International journal of biological sciences 2018; 14, 11: 1466–71.
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